„Kein Problem.“
„Aiden ...“, sagte sie, wobei sie eine Weile brauchte, um die richtigen Worte zu finden. „Aiden, wer bist du?“
„Meinen Namen kennst du schon“, raunte ich wahrheitsgemäß.
„Du bist merkwürdig.“
Mit ernüchterter Geschäftigkeit schob die massige Frau meine Papiere auf dem Tresen zu einem Stapel zusammen und reichte mir diesen. „Und jetzt geh auf dein Zimmer“, sprach sie, nun ohne jede besondere Betonung. Dann wandte sie sich von mir ab und einigen Dokumenten zu.
Es riss sich etwas los von mir, von meinem Verstand oder Willen, irgendwo in meinem Inneren. Oder riss ich mich von diesem Etwas los?
Nur Sekundenbruchteile später hatte mein Körper bereits intuitive Maßnahmen zum Selbstschutz eingeleitet und die Klinge meines Langschwerts an der Kehle der beleibten Frau platziert.
„Was sollte das?“, fragte ich tonlos und wieder Herr meiner eigenen Sinne.
Sie sah mich an. Jedoch konnte ich ihren Blick nicht so recht deuten. Überraschung, zweckorientiertes Interesse und Unbehagen mischten sich mit bedächtigem Respekt.
„In der Tat, du bist merkwürdig“, sagte die Empfangsdame und Hausherrin erneut. Sie musterte mich misstrauisch von oben bis unten. „Ohne Zweifel, du hast ein gewisses Talent, nichtsdestotrotz bist du wirklich sehr merkwürdig.“
„Aha“, erwiderte ich, wobei ich gezielt darauf achtete, keine Frage an meiner Glaubwürdigkeit aufkommen zu lassen. „Und was heißt das?“
„Ich kann dich nicht gebrauchen“, gab sie mir zu verstehen.
Ich warf ihr einen forschenden Blick zu und schwieg.
Sie begriff, dass ich noch nichts begriffen hatte, und fuhr fort.
„Du neigst dazu, meinen Einfluss mit ein paar wesentlichen Charakterzügen zu überbrücken, die – lass mich sagen – nicht mit meinem Wesen kompatibel sind.“
„Es macht den Eindruck, als wärest du von irgendetwas besessen“, ergänzte sie ernst, nachdem ich sie weiterhin unbeirrt anstarrte. „Frage mich jetzt aber nicht wovon. Ich habe lediglich festgestellt, dass es so ist.“
Ich glaubte ihr.
Also ließ ich die Klinge sinken und verstaute sie wieder an meinem Gürtel.
„Machst du das häufiger mit deinen Gästen?“, fragte ich.
„Nun, mit den Meisten“, antwortete die umfassende Frau im Plauderton und wie gewohnt charmant. „Und viele haben es ohne Frage auch nötig. Dessen kannst du dir sicher sein.“
Ich sagte nichts. Meine Hand hingegen war schon wieder auf den Schwertgriff gewandert.
Die massige Dame seufzte und rollte dramaturgisch perfekt mit ihren Augen.
„Gut“, gestand sie, „vielleicht habe ich in deinem Fall etwas überreagiert. Womöglich bin ich zurzeit etwas empfindlich ...“
Ich wandte mich zum Gehen in Richtung Treppe.
„He, nein, warte mal“, rief sie mir hinterher. „Willst du denn gar nicht wissen, warum?“
Noch keine Kommentare vorhanden
Was denkst du?