„Schau, jetzt hast du ihn verjagt“, bedauerte Erren. „Warum warst du nicht netter zu ihm?“
„Wir haben eine Abmachung, Aiden.“
„Eine Abmachung, an der sich auch nichts ändert, wenn ich dieses Haus verlasse“, entgegnete ich.
„Du weißt genau, dass ein Auszug nicht dem ursprünglichen Sinn dieser Abmachung entspricht, Aiden Wirket“, ermahnte mich die wuchtige Frau, wobei sie jede einzelne Silbe überdeutlich betonte.
Ich hielt inne – beziehungsweise etwas sorgte dafür, dass ich innehielt. Langsam drehte ich mich zu den Damen um. Die massige Hausherrin wirkte sehr konzentriert. Der Ausdruck in ihrem Gesicht verriet nur zu deutlich, dass sie sich jeder meiner Bewegungen bewusst war. Sie hatte erkannt, dass sie, wenn sie nicht aufpasste, Gefahr lief, von dem Feuer, mit dem sie spielte, verletzt zu werden.
Erren wechselte ihren Blick alle paar Sekunden von Renja zu mir und wieder zurück. Beinahe völlig erstarrt, schien sie wie ein junges Reh vor den hungrigen Wölfen auf den richtigen Moment zur Flucht zu warten.
„Renja, was soll das?“, fragte ich ruhig. Mein instinktiver Griff zur Waffe versagte und ich spürte, wie sich etwas Unsichtbares um mein Inneres schnürte. Es zog sich noch enger zusammen, als ich meine Muskeln anspannte.
Auf der Stirn der korpulenten Frau bildeten sich vor lauter Anstrengung dicke Schweißperlen.
„Mit Hexen hatte ich bisher noch nicht viel zu tun und ich hege auch keinen Groll gegen sie“, erklärte ich. „Wenn du jedoch so weiter machst, kann es durchaus passieren, dass sich dies in deinem Falle ändert.“
„Hmh!“, quietschte Erren. „Renja, das ist einer dieser Momente, in denen man nachgibt und tut, was der Mann mit den Muskeln will.“
„Glaubst du, ich wüsste das nicht?“, presste die dicke Frau mühselig hervor. Es klang nach wahrhaftig schwerer Arbeit.
„Dann gib doch einfach nach und hör endlich auf mit dem, was du da tust“, riet Erren ihr sichtlich nervös.
„Das würde ich ja gerne“, stöhnte Renja.
„Und wo ist dann das Problem“, kreischte die junge Frau in einem hektischen Flüsterton.
„Erren.“ Die Worte quollen nur langsam aus der massigen Dame hervor. „Ich habe eine Klausel vergessen.“
„Klausel?“ Ich hatte schon wieder den Faden verloren.
Das inzwischen verkrampfte Gesicht der dicken Frau verzog sich allmählich zu einem erbitterten Zähneknirschen. Sie versuchte mit aller Kraft etwas zu kontrollieren. Was es war, konnte ich allerdings nicht sagen. Zweifellos hatte sie es noch vor wenigen Minuten auf mich abgesehen, doch jetzt war da etwas anderes, das ihr mehr Probleme zu bereiten schien.
„Oh, Renja, du hast doch nicht etwa ...!“, schimpfte Erren. „Ich habe dir doch gesagt, dass Standardisierung bei Langzeitflüchen keine gute Idee ist. Was, wenn du einmal deine Meinung änderst?, hab ich dir gesagt. Was, wenn jemand einen guten Grund hat, mit seiner Lebensabschnittsgefährtin oder seinem Lebensabschnittsgefährten nicht den Rest seines Lebens verbringen zu wollen?, hab ich dir gesagt. Dauerhafte beziehungsbindende Flüche sind keine Eheberatung!, hab ich dir gesagt ...“
„Beziehungs-Was?“, wurde ich hellhörig.
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