Berechtigterweise deutete die junge Frau meine Verwirrung als pures Unverständnis. „Renja ist eine der angesehensten Eheberaterinnen der zentralregierten Länder. Sie hat sogar eine Lizenz für ein sogenanntes Obdach der traurigen Herzen“, rief Erren aufgebracht und schnaubte wie ein bockiges Pferdchen. Bei ihrer hageren Gestalt und den schwer herabwallenden Stoffballen gewann man schnell den Eindruck, dass an ihr sehr leicht etwas kaputtgehen konnte.
„Eheberatung ...“, verstand ich. Doch Erren kam gerade erst in Fahrt.
„Junger Mann!“, versuchte sie mich zurechtzuweisen. „Wenn sich nicht schleunigst etwas an deiner Einstellung und deinem Verhalten ändert, wirst du nicht mehr viel von deiner Herzensdame haben. Das versichere ich dir.“
„Erren“, mischte sich Renja endlich ein, „er ist nicht deswegen hier.“
„Ach, so einer bist du!“, fauchte Erren und schaltete noch einen Gang nach oben. Zum Glück griff ihre verzögerte Erkenntnis gerade noch rechtzeitig nach der Notbremse. Verdutzt blinzelte sie die rundliche Empfangsdame an. „Aber weshalb ist er sonst hier?“
„Er hat lediglich ein Lager für die Nacht gesucht“, erwähnte Renja mit gezielter Beiläufigkeit und wischte unsichtbaren Staub aus dem Plüschbezug von ihrem Tresen.
„Nur so zum Schlafen und weiter nichts?“ Erren schien verwundert. „Letzte Woche hast du noch davon geschwärmt, dass kein Gast ohne einen gewissen Grund zu dir kommt. Schon gar nicht, wenn er vorhat, über Nacht zu bleiben. – Es hatte mit einer Art Mücke zu tun“, grübelte sie.
„Erren“, sprach die beleibte Frau gedehnt.
„Was genau versteht man in diesem Land unter Eheberatung?“, erkundigte ich mich, wobei ich versuchte, möglichst ortsfremd zu wirken.
„Stimmt“, sagte Erren, „mit einer Art von Mücken hatte es nicht das Geringste zu tun ...“
„Meinst du vielleicht Marktlücke?“, schlug ich vor.
Prüfend starrte sie mich an.
„Ich glaube, das ergibt sogar Sinn“, sprach sie langsam und jedes Wort sorgsam platzierend. In einer maschinellen Bewegung drehte sie sich zu Renja. Diese wich mental einige Schritte zurück.
„Du warst viel zu stolz auf deinen ganz besonderen Filter“, stellte Erren spitzfindig fest.
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