Kaum hatte ich mich halbwegs aufgerappelt, sah ich, wie sich die flatternde Masse aus Stofflagen die Straße entlang flüchtete und in eine unauffällige Nebengasse verschwand. Meine Unterlagen hatten sich unterdessen gleichmäßig in der näheren Umgebung verteilt.
Wovor diese wandelnde Tuchwolke auch geflüchtet war ... Jetzt näherte es sich mir mit einem sechsfachen Spurt von hinten.
Es war nur eine vage Vermutung, ja ein unbestimmter Instinkt, doch ich wandte mich um, zog mein Schwert ...
Ein Besenstiel zersplitterte.
„Oh, oh ...“, sprach jemand in viel zu später Erkenntnis.
Kurz darauf lagen sechs wackere Burschen sowie zwei Spaten und drei Mistgabeln völlig überrascht am Boden.
„Moment mal“, stellte ich trocken fest. „Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?“
„Äh, wie?“, ertönte es benommen aus Richtung Kopfsteinpflaster.
„Vor der Stadt. Vor zwei Tagen“, sagte ich. „Das wart doch ihr?“
„Ähem ...“
„Was soll das?“, fragte ich.
Unterhalb meiner Gürtellinie wurden abstimmende Blicke gewechselt.
„Erm ... Das war nicht persönlich gemeint?“, schlug jemand von halb links unten vor.
„Eigentlich hatten wir gar nicht vor, dich anzugreifen ...“, sagte jemand noch etwas weiter links.
„Höchstens eine winzige Festnahme“, bestätigte ein anderer.
„Vielleicht ein kleines bisschen Gewahrsam.“
„Eine warme Mahlzeit, ein Bett.“
„Und moderne sanitäre Anlagen.“
„Gewahrsam“, wiederholte ich nüchtern.
„Männer?“, schlug jemand außen rechts einen Befehlston an. „Ausnahmsweise drücken wir heute noch einmal ein Auge zu.“
Vom Boden aus sah mich der Bursche an, als wolle er gleich platzen und mich dabei in seine ewigen Jagdgründe mit hinabnehmen. – Nichts geschah. „Wir lassen es dieses Mal gut sein.“
Ein zustimmendes Raunen ging durch die Gruppe.
„Hast du gehört, Mann“, sprach mich der – wahrscheinlich – Vorgesetzte direkt an, während er und die anderen sich aufrappelten. „Dieses Mal kommst du ungeschoren davon.“ Er griff sich ordnungshütergleich mit beiden Händen an den Gürtel und rümpfte die Nase. „Glaube aber ja nicht, dass wir jedes Mal so kulant sind und deine Missetaten in Zukunft ohne Weiteres billigen werden.“
Ich schwieg.
Er räusperte sich.
Die jungen Männer warfen sich verlegene Blicke zu und scharten mit den Füßen in den herumliegenden Holzsplittern und Papierbögen.
„Wart ihr bis eben nicht noch dabei, jemandem hinterher zu laufen?“, erkundigte ich mich und wies in die Richtung, in welche das wandelnde Stoffknäuel verschwunden war.
Nach einem Moment der allgemeinen Verwirrung nickte jemand.
„Oh.“
Die allgemeine Verwirrung richtete sich auf den einen Burschen in der Mitte.
„Herten“, sprach dieser mit dem Mann ganz links von mir. Er zögerte kurz, als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Die ... Zielperson.“
Sämtliche Augen weiteten sich.
„Emm! Ähh! Jaa!“, winkte der Angesprochene den anderen hektisch zu. „Na ... Los, Männer!“
Hastig stolperten die sechs Burschen an mir vorbei, rutschten gelegentlich auf meinen Papieren aus und irrten zielstrebig durch die von der Hauptstraße abgehenden Gassen.
Es blieb mir jedoch keine Zeit, dieses anregende Treiben länger zu beobachten.
Eine leichte Böe kam auf. Die losen Blätter am Boden zitterten aufgeregt.
Und die umweltbewussten Passanten guckten schon ...
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